11 February 2012

Noa's concert in Hamburg (Germany)

@ Picture by Florence Masala.



HAMBURG. Auf dem Kampnagel-Gelände hielten ein paar tapfere Ideologen Transparente in die Kälte: "Sounds of Besatzer" war darauf zu lesen; stiller Protest gegen ein Festival, dessen Sendungsbewusstsein gerade auf die Weitung solch engstirnigen Denkens in Feindbildern abzielt. Schließlich gastierten zum Auftakt der Konzertwoche mit vielfältigen "Sounds of Israel" auf der Bühne der ausverkauften K6 am vergangenen Sonnabend nicht etwa militante Verteidiger israelischer Siedlungspolitik auf palästinensischem Gebiet. Vielmehr trat eine Sängerin auf, die sich spätestens seit dem Attentat auf Yitzak Rabin im November 1995 als Sprachrohr der Friedensbewegung und der Aussöhnung zwischen Juden und Arabern in Israel versteht: Noa.


Das von Gil Dor an der Gitarre, dem Percussionisten Gadi Seri und den Hamburger Symphonikern begleitete Konzert geriet zum Triumph. Die Sängerin entführte ihr Publikum Lied für Lied voller Feingefühl und Energie in eine orientalische Klangwelt, die selbst dem grenzüberschreitungserfahrenen Hörer vorkam wie Neuland. Da klang nichts nach Klezmer und nichts nach Bauchtanz-Grooves, zumindest sehr lange nicht. Noa, absolut intonationssicher und mit einem Timbre gesegnet, das auch harte Herzen erweichen dürfte, sang Melodien, die sich wie in ihrem Lauf naturbelassene Flüsse durch die Landschaft feiner Orchester-Arrangements wanden.

+++

Strophe? Refrain? Die Musik von Gil Dor, Noas Lieder aus dem Jemen, die Songs zu hebräischen Texten aus dem "Israeli Songbook": sie alle folgen oft anderen, durchaus nicht berechenbaren Bauprinzipien. Der Musik sind ganz selbstverständlich Takt- und Tempowechsel eingeschrieben, manche Lieder ziehen plötzlich rasant im Tempo an, und mehr als einmal narrten die Kompositionen die inneren Referenzsysteme. Was begann wie eine Filmmusik, drehte sich unversehens ins Folkloristische und von dort auf noch anderes Terrain. "Yuma", ein Lied, das die Sängerin von ihrer jemenitischen Großmutter lernte, klang zunächst archaisch-orientalisch, noch verstärkt durch Noas kräftige Body-Percussion in der Herzgegend, ehe es sich, nun von reichen Akkorden begleitet, in ein englisches Volkslied zu verwandeln schien. Im Trio gab Noa sogar eine Art Blues, wobei die Bühne mit den heruntergedimmten Pultleuchten des Orchesters aussah wie eine Stadt bei Nacht aus großer Höhe. Doch die Musiker waren hellwach. Unter der Leitung des auch als Komponist an dem Abend beteiligten, sehr souverän agierenden Dirigenten Ilan Mochiach spielten die Symphoniker berückend schön. Manchmal fühlte sich die von der Musik bewegte Luft im Saal wie Seide an.

Noas Schmetterlingsflügelvibrato, die festliche Wärme, die ihr Gesicht ausstrahlte, ihre Hände, die oft so beredt geheimnisvoll tanzten wie die einer indischen Tempeltänzerin, auch ihre klugen und eloquenten Kommentare zwischen den Liedern - es war fast zu viel der Schönheit. Selbst hinter geschlossenen Augen blieb der innere Blick wie festgesogen von dieser charismatischen Performerin. Neben ihr standen zwei Congas und zwei Darabukkas, die arabischen Trommeln mit dem Metallkessel.

Während des Programms begleitete Noa sich singend öfter darauf, und dass sie es auch als Trommlerin weit brächte, zeigte sie in einem Solo gegen Ende des Programms. Dort trug es sie in ihrer hellen Begeisterung fürs Singen dann auch ganz leicht aus der Kurve; mit der "Chicken Coop Aria" und Bernsteins Melodram "Glitter And Be Gay" aus "Candide" bekam ihre Kunst einen Zug ins Neckische. Doch da lagen ihr alle schon längst zu Füßen - und liegen dort noch heute.

@ Picture by Florence Masala.

No comments:

Post a Comment